Hidden Champions der Nachhaltigkeit: Kleingärten
Dezember 2024
Sie sind so viel mehr als Gartenzwerge und strenges Regelwerk: Kleingärten. Aktuell voll im Trend, leisten sie zudem in Städten sehr viel für die Nachhaltigkeit. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Kleingartenanlagen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten CO2-Speichern im städtischen Raum. Zudem ist eine große Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten hier zu Hause. Insbesondere Insekten und Vögel finden Zuflucht und Nahrung. „Kleingärten führen aus Nachhaltigkeitssicht ein Schattendasein, sie leisten aber einen wichtigen Beitrag. Ich bezeichne sie daher gern als echte Hidden Champions“, klärt Johannes Andrews, Vorstand der Evangelischen Stiftungen, auf.
Insgesamt 7 Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 361.357 Quadratmetern verpachten wir im Stadtgebiet zu einem äußerst fairen Preis, dessen Berechnung durch das Bundeskleingartengesetz vorgegeben ist, an Kleingartenvereine. Darunter ist mit 157.119 Quadratmetern auch die größte Kleingartenkolonie im Stadtgebiet, Deutsche Scholle e.V. in der Wüste. Nicht nur vom Aussterben bedrohte Bienen oder Vögel finden hier Lebensraum, auch seltene Pflanzen. Aus pädagogischer Sicht ist die Bedeutung der kleinen grünen Paradiese ebenfalls nicht zu unterschätzen: Kinder lernen in sicherer und familiärer Umgebung den Umgang mit der Natur. Für die Generation Ü50 war der kleine Kartoffelacker im Garten in Kindheit und Jugend schon eher noch Teil des Alltags. Heute praktizieren dies nur noch die wenigsten, erst recht nicht im Stadtgebiet“, so Andrews weiter. Naturerfahrungen sind für Kinder allerdings wichtig, um Respekt vor Natur und Schöpfung zu entwickeln. Kinder lernen Gemüse außerhalb von Plastikverpackungen kennen, beobachten aus nächster Nähe, wie lange es dauert und wie viel Arbeit es macht, bis Gemüse auf dem Teller liegt, lernen auch ganz praktisch, wie Gemüseanbau funktioniert. „Ganz nebenbei geschieht dies auch noch in Gemeinschaft, man packt beim Nachbarn mit an, hilft sich, sitzt zusammen und solche Erfahrungen sind auch bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen hilfreich.“
Der Wert der Kleingärten wird inzwischen zu Recht auch von der jüngeren Generation entdeckt: „Es findet aktuell ein Generationswechsel statt. Die Nachfrage junger Leute ist enorm. Insbesondere viele junge Familien interessieren sich für ein Grundstück, aber auch junge Paare oder Singles“, berichtet Andrews. Auch bei der nachwachsenden Generation Kleingärtner steht der Obst- und Gemüseanbau hoch im Kurs. Was die junge Generation unterscheidet, ist das Lernen durch Tutorials aus dem Internet. „Das ist sehr interessant, die suchen sich Anleitungen im Internet und legen los“, so Hassmann. Wenn die Internet-Tipps doch nicht so fruchten, stehen die erfahrenen Gärtner mit Rat und Tat zur Seite. „Hier hilft jeder jedem, wir lernen alle voneinander“, freut sich der Vorsitzende.
Die herausragende Lage dieser Flächen hat schon das Interesse von manchem Investor geweckt, der daraus Bauland machen wollte. Die Evangelischen Stiftungen Osnabrück, die Erträge aus ihrem Stiftungsvermögen in das Gemeinwohl investieren, halten aber aus Nachhaltigkeits- und Naturschutzgründen an den Grünflächen mitten in der Stadt fest. Denn in den Kleingärten wird nicht nur auf direktem Weg Klimaschutz betrieben, sondern die nachfolgende Generation auch positiv für den Naturschutz geprägt. Sie haben also eine doppelt nachhaltige Wirkung. Die Kleingärten erfüllen somit viele Kriterien, die in besonderer Weise zu unserem Stiftungszweck passen.
2 Fragen an Dirk Hassmann, 1. Vorsitzende Deutsche Scholle e.V.
„Was glauben Sie, warum haben aktuell insbesondere junge Leute so großes Interesse an Kleingärten?”
Ich glaube bei aller Wertschätzung für das städtische Leben mit Bars, Clubs, Theater und Shopping, dass die junge Generation den Kleingarten als Rückzugsort entdeckt hat, als grüne Oase in ihrem Alltag, als Ort der Erholung und des Kontrasts. Hinzu kommt das wachsende Klimabewusstsein, dass junge Leute aktiv etwas für Nachhaltigkeit tun wollen und sich im wahrsten Wortsinn die Hände schmutzig machen möchten. Die meisten, die bei uns anfragen, wollen vor allem Obst und Gemüse anbauen und wollen das auch ihren Kindern vermitteln.
„Was macht es für Sie persönlich besonders aus, einen Kleingarten zu haben?”
Eigentlich liegt in der Einfachheit das Besondere. Die ganze Lebensart, die Gemeinschaft, das Leben an der frischen Luft, die Nähe zur Natur, mich körperlich betätigen zu können mit dem schönen Ergebnis von frischem Gemüse, schönen Blumen und auch einfach mal in der Sonne zu liegen. Und es ist ein großer Unterschied, ob Sie eine Gurke oder Tomate essen, die Sie in einer Plastikverpackung beim Discounter gekauft haben oder ob Sie eine Gurke oder Tomate essen, die Sie von der Saat bis zur Ernte gehegt und gepflegt haben, für die Sie täglich Wasser geschleppt, um die Sie sich bei Sturm und Regen Sorgen gemacht haben. Man weiß sie aufgrund der investierten Mühe anders zu schätzen, abgesehen davon, dass sie wirklich völlig anders schmeckt.
Kleingärten: Juristisches Gebiet
22 Paragraphen umfasst das Bundeskleingartengesetz, das die Nutzung, Rechte und Pflichten im Kleingarten regelt. Wir haben ein paar interessante gesetzliche Regelungen für Sie ausgesucht:
§ 1 Ein Kleingarten ist ein Garten, der dem Nutzer (Kleingärtner) zur nichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, und zur Erholung dient […].
§ 3 (1) Ein Kleingarten soll nicht größer als 400 Quadratmeter sein. Die Belange des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege sollen bei der Nutzung und Bewirtschaftung des Kleingartens berücksichtigt werden.
(2) Im Kleingarten ist eine Laube in einfacher Ausführung mit höchstens 24 Quadratmetern Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz zulässig; die §§ 29 bis 36 des Baugesetzbuchs bleiben unberührt. Sie darf nach ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und Einrichtung, nicht zum dauernden Wohnen geeignet sein.
§5 (1) Als Pacht darf höchstens der vierfache Betrag der ortsüblichen Pacht im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau, bezogen auf die Gesamtfläche der Kleingartenanlage verlangt werden. Die auf die gemeinschaftlichen Einrichtungen entfallenden Flächen werden bei der Ermittlung der Pacht für den einzelnen Kleingarten anteilig berücksichtigt. Liegen ortsübliche Pachtbeträge im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau nicht vor, so ist die entsprechende Pacht in einer vergleichbaren Gemeinde als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen. Ortsüblich im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau ist die in der Gemeinde durchschnittlich gezahlte Pacht.